Was ist los im deutschen Kulturbetrieb?
english below
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Wir, die Comic Gewerkschaft, sind ein Netzwerk für Menschen,
die im deutschsprachigen Raum mit Comics arbeiten. Als Gewerkschaft wollen wir einen Ort des Wissensaustausches und der Vernetzung bieten, sowohl innerhalb unserer Szene als auch mit anderen Kunstarbeitenden.
Deutsche Kulturinstitutionen haben – insbesondere seit dem 7. Oktober – zunehmend Veranstaltungen abgesagt oder verschoben. Viele der betroffenen Künstler*innen sind Juden*Jüdinnen, Muslim*innen, Palästinenser*innen oder im weiteren Sinne Künstler*innen of colour, die der Politik der israelischen Regierung kritisch gegenüberstehen. Die Kritiker*innen werden mutwillig unter den Generalverdacht des Antisemitismus gestellt. In den meisten Fällen wurde ihnen nicht ausreichend Zeit und Raum gegeben, um in einen offenen Dialog über die erhobenen Vorwürfe zu treten. So entsteht ein Klima der Angst und Selbstzensur, das schon jetzt deutlich zu spüren ist.Betroffen sind vor allem auch jene, über denen die Drohung des Entzugs von Aufenthaltstiteln als Konsequenz einer Beschuldigung schwebt.Die Absagen wurden von Gremien und Direktor*innen quer durch deutsche Institutionen beschlossen. Es sind dieselben Institutionen, die gern ein „diverses“ und „inklusives“ Programm vorzeigen, während ihre internen Strukturen unverändert bleiben.
Wir – als Einzelne und als Gruppe – lehnen Antisemitismus in aller Deutlichkeit ab. Deshalb finden wir die Diskussion über „importierten Antisemitismus“ absurd und gefährlich. Hass gegen Juden*Jüdinnen hat sich schon immer global manifestiert. Ihn allein auf (post-)migrantische Bevölkerungsgruppen zu projizieren, ist eine rassistische Verzerrung der Lage: Die Zahlen zeigen deutlich, dass „der weit überwiegende Anteil antisemitischer Straftaten von der organisierten rechtsextremen Szene begangen wird.“ (Ebd.). Die rechtspopulistische AfD gewinnt immer mehr Sitze in kommunalen Parlamenten und ist nach den letzten Umfragen deutschlandweit zweitstärkste Partei. Dennoch sind Künstler*innen und Organisationen mit postkolonialen Perspektiven am stärksten von der aktuellen Welle der Anschuldigungen und Kriminalisierung betroffen.
Wir schätzen die Vielfalt der Meinungen und Perspektiven, die jedes Mitglied in unsere Gruppe einbringt. Wir sehen uns als eine Gemeinschaft, die von Pluralität lebt und profitiert. Dies bedeutet auch, dass wir bei Themen, die uns sehr am Herzen liegen, unterschiedlicher Meinung sind. Als Gruppe haben wir darum gerungen, eine angemessene Reaktion auf die aktuelle Situation zu finden. Ein Ansatz war die Formulierung dieses Texts, in dem sich nicht alle unsere Mitglieder zu 100% wiederfinden. Worauf wir uns jedoch einigen können, ist, Solidarität mit den derzeit am stärksten betroffenen Gruppen zu zeigen, getreu den Kernpunkten unseres Manifests.
Mit diesem Text wollen wir einen Dialog innerhalb der Comic-Szene und darüber hinaus anstoßen. Wir wollen uns aktiv gegen das Klima des Misstrauens und gegen übereilte, angstgetriebene Entscheidungen stellen.
Deutsche Kulturinstitutionen haben – insbesondere seit dem 7. Oktober – zunehmend Veranstaltungen abgesagt oder verschoben. Viele der betroffenen Künstler*innen sind Juden*Jüdinnen, Muslim*innen, Palästinenser*innen oder im weiteren Sinne Künstler*innen of colour, die der Politik der israelischen Regierung kritisch gegenüberstehen. Die Kritiker*innen werden mutwillig unter den Generalverdacht des Antisemitismus gestellt. In den meisten Fällen wurde ihnen nicht ausreichend Zeit und Raum gegeben, um in einen offenen Dialog über die erhobenen Vorwürfe zu treten. So entsteht ein Klima der Angst und Selbstzensur, das schon jetzt deutlich zu spüren ist.Betroffen sind vor allem auch jene, über denen die Drohung des Entzugs von Aufenthaltstiteln als Konsequenz einer Beschuldigung schwebt.Die Absagen wurden von Gremien und Direktor*innen quer durch deutsche Institutionen beschlossen. Es sind dieselben Institutionen, die gern ein „diverses“ und „inklusives“ Programm vorzeigen, während ihre internen Strukturen unverändert bleiben.
Wir – als Einzelne und als Gruppe – lehnen Antisemitismus in aller Deutlichkeit ab. Deshalb finden wir die Diskussion über „importierten Antisemitismus“ absurd und gefährlich. Hass gegen Juden*Jüdinnen hat sich schon immer global manifestiert. Ihn allein auf (post-)migrantische Bevölkerungsgruppen zu projizieren, ist eine rassistische Verzerrung der Lage: Die Zahlen zeigen deutlich, dass „der weit überwiegende Anteil antisemitischer Straftaten von der organisierten rechtsextremen Szene begangen wird.“ (Ebd.). Die rechtspopulistische AfD gewinnt immer mehr Sitze in kommunalen Parlamenten und ist nach den letzten Umfragen deutschlandweit zweitstärkste Partei. Dennoch sind Künstler*innen und Organisationen mit postkolonialen Perspektiven am stärksten von der aktuellen Welle der Anschuldigungen und Kriminalisierung betroffen.
Wir schätzen die Vielfalt der Meinungen und Perspektiven, die jedes Mitglied in unsere Gruppe einbringt. Wir sehen uns als eine Gemeinschaft, die von Pluralität lebt und profitiert. Dies bedeutet auch, dass wir bei Themen, die uns sehr am Herzen liegen, unterschiedlicher Meinung sind. Als Gruppe haben wir darum gerungen, eine angemessene Reaktion auf die aktuelle Situation zu finden. Ein Ansatz war die Formulierung dieses Texts, in dem sich nicht alle unsere Mitglieder zu 100% wiederfinden. Worauf wir uns jedoch einigen können, ist, Solidarität mit den derzeit am stärksten betroffenen Gruppen zu zeigen, getreu den Kernpunkten unseres Manifests.
Mit diesem Text wollen wir einen Dialog innerhalb der Comic-Szene und darüber hinaus anstoßen. Wir wollen uns aktiv gegen das Klima des Misstrauens und gegen übereilte, angstgetriebene Entscheidungen stellen.
- Lasst uns als Künstler*innen nach Wegen suchen, um innerhalb unserer Praxis Protest zu artikulieren und uns stark zu machen für Veränderungen außerhalb von Social Media, staatlichen Institutionen oder dem privaten Galeriesektor.
- Während wir uns als Comic Gewerkschaft aktiv für eine Aufstockung der staatliche Finanzierung eingesetzt haben, bestehen wir darauf, dass diese frei von politischen Eingriffen und für jede*n zugänglich bleiben muss.
- Lasst uns auf langfristige Strategien für gemeinschaftlich betriebene, basisdemokratische Kunsträume und Fördereinrichtungen hinarbeiten. Der private Sektor kann nicht die Antwort auf die Krise staatlicher Finanzierung sein.
- Wir laden alle Mitglieder der Comic-Szene, die von der aktuellen Situation betroffen sind, in das Online-Forum der Comic Gewerkschaft ein, um zu diskutieren und sich zu vernetzen. Wenn du noch kein Mitglied bist, schreibe uns eine E-Mail über unsere Webseite, um eine Einladung zu erhalten.
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We, the Comic Gewerkschaft (Comics Union), are a network for people in German-speaking countries who work with comics. As a union, we want to offer a place to exchange knowledge and connect both within our scene and with other art workers.
German cultural institutions have increasingly been cancelling or postponing events, especially since October 7. Many of the artists affected are Jewish, Muslim, Palestinian or, more broadly, artists of colour who are critical of the Israeli government. The critics are deliberately targeted under the general suspicion of anti-Semitism. In most cases, artists have not been given enough time and space to engage in an open dialogue about the accusations. This is creating a climate of fear and self-censorship that is already being felt. Those who live with the threat of having their residence permits revoked as a result of accusations are particularly affected. The cancellations are being made by boards and directors across Germany’s institutions. The same institutions that like to pride themselves on their “diverse” and “inclusive” program, while their internal structures remain untouched.
We – as individuals and as a group – oppose anti-Semitism. That’s why we find the discussion about “imported anti-Semitism” absurd and dangerous. Hatred of Jews has always manifested itself around the globe and is well-travelled. Projecting it solely onto (post-)migrant populations is a racist distortion of the seriousness of the current situation: figures clearly show that the vast majority of anti-Semitic acts are committed by the organized far-right scene. The right-wing populist AfD wins more and more seats in local parliaments and is the second strongest party according to the latest polls. Still, the artists and organizations most affected by the current wave of accusations and criminalization are proponents of postcolonial perspectives.
We value the diversity of opinions and perspectives that each of our members brings to the table. We see ourselves as a community that thrives on plurality and benefits from it, which sometimes also means that we disagree on topics we hold dear. As a group, we have struggled to find an appropriate response to the current situation. One approach was the formulation of this statement, in which not all of our members feel 100% represented. However, what we can agree on is to show solidarity with the groups most affected right now and stay true to the core values of our manifesto.
What’s going on in the German cultural sector?
We, the Comic Gewerkschaft (Comics Union), are a network for people in German-speaking countries who work with comics. As a union, we want to offer a place to exchange knowledge and connect both within our scene and with other art workers.
German cultural institutions have increasingly been cancelling or postponing events, especially since October 7. Many of the artists affected are Jewish, Muslim, Palestinian or, more broadly, artists of colour who are critical of the Israeli government. The critics are deliberately targeted under the general suspicion of anti-Semitism. In most cases, artists have not been given enough time and space to engage in an open dialogue about the accusations. This is creating a climate of fear and self-censorship that is already being felt. Those who live with the threat of having their residence permits revoked as a result of accusations are particularly affected. The cancellations are being made by boards and directors across Germany’s institutions. The same institutions that like to pride themselves on their “diverse” and “inclusive” program, while their internal structures remain untouched.
We – as individuals and as a group – oppose anti-Semitism. That’s why we find the discussion about “imported anti-Semitism” absurd and dangerous. Hatred of Jews has always manifested itself around the globe and is well-travelled. Projecting it solely onto (post-)migrant populations is a racist distortion of the seriousness of the current situation: figures clearly show that the vast majority of anti-Semitic acts are committed by the organized far-right scene. The right-wing populist AfD wins more and more seats in local parliaments and is the second strongest party according to the latest polls. Still, the artists and organizations most affected by the current wave of accusations and criminalization are proponents of postcolonial perspectives.
We value the diversity of opinions and perspectives that each of our members brings to the table. We see ourselves as a community that thrives on plurality and benefits from it, which sometimes also means that we disagree on topics we hold dear. As a group, we have struggled to find an appropriate response to the current situation. One approach was the formulation of this statement, in which not all of our members feel 100% represented. However, what we can agree on is to show solidarity with the groups most affected right now and stay true to the core values of our manifesto.
With this statement we want to initiate a dialogue within the comic art community and beyond. We want to actively work against the climate of suspicion and against hasty, fear-driven decisions.
- As artists, let’s explore ways within our practices to express protest and advocate for change outside of social media, state institutions, or the private gallery sector.
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While we as the Comic Gewerkschaft have been actively advocating for increased state funding, we want to insist that it needs to remain free of political interventions and accessible for everyone.
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Let’s work towards long term strategies for community driven, basic democratic art spaces and funding bodies. The private sector is not the answer to the crisis of state funding.
- We invite every member of the comics community who is affected by the present situation to use the online forum of Comic Gewerkschaft to discuss & connect. If you are not a member yet, write us an email via our website to get an invitation.